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09 Februar 2010

Kein Guru


Wenn ich mich richtig erinnere, entdeckte ich ihn 2005, und zwar in der öffentlichen städtischen Bibliothek. Auf dem Regal mit den Neuanschaffungen stach mir als Erstes das Umschlagbild  ins Auge:
Ein weissgekleideter Mann mit schneeweissen, nach Hinten gekämmten Haaren und einem vollen Bart. Das zerfurchte Gesicht leicht zur Seite geneigt, als ob er einem Gespräch lauschte. Die Fingerkuppen in einer Geste der Achtsamkeit zusammengelegt.
"Ein Guru!", dachte ich.
Der Titel "Noch eine Runde auf dem Karussell" liess mich an Kindheit, Schwindel, Leichtigkeit und Spiel erinnern. Das wiederum sprach mich an. Und da auch der in kleiner Schrift angefügte Satz "Vom Leben und Sterben"  mein Interesse weckte, lieh ich mir den umfangreichen Wälzer von Tiziano Terzani aus. Dass das Buch neu und ohne Gebrauchsspuren war, wischte den letzten Rest Zweifel beiseite...

Mit dem ersten Satz

"Obwohl man weiss, wie vielen Menschen es passiert, denkt man nie, dass es einen auch selbst treffen könnte",

führte Terzani mitten hinein ins Thema seiner Krebserkrankung und zog mich in einen Bann, der mich über alle 700 Buchseiten nicht mehr verliess. Er nahm mich als Leserin mit auf eine lange Reise in die entferntesten Teile Asiens, zu allen möglichen und unmöglichen Heilern und Therapeuten und ihren überzeugenden oder nutzlosen Praktiken und Verfahren.
Terzani, als ehemals politischer  Journalist, beherrschte sein Schreibhandwerk perfekt, war aber auch geübt,  genau zu beobachten und differenziert wahrzunehmen. Und so konnte ich mich, auch dank seines umwerfenden Humors und seiner Selbstironie, einlassen und einpendeln in eine Welt, die in mir normalerweise Abwehr und Widerspruch erzeugte.
Als stärkste Erinnerung blieb mir, obwohl seit dem Lesen des Buches unterdessen gut vier Jahre vergangen sind, Terzanis tiefe spirituelle Haltung, mit der er mir verständlich machen konnte, worum es bei dieser Reise auf dem Karussell ging:
Nicht nur um die Suche nach Heilung vom Krebs, sondern um das Thema, das uns alle betrifft und angeht:
Um unsere Sterblichkeit.

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