Zwei Tage vor Weihnachten.
Ich fahre im Tram hinaus in die Agglomeration. Eine Mutter steigt mit ihrem kleinen Jungen ein. Dieser trägt ein graugrünes, leicht schmutziges Stoffrucksäcklein mit drei applizierten Fliegenpilzen. Auch die Schuhe sehen ziemlich verdreckt aus. Seine Frisur, ein 60er-Jahre Pilzkopf, passt haargenau zum Rucksäcklein. Mutter und Sohn haben ein Viererabteil ganz für sich allein.
Kaum hat der Kleine seine beiden Plätze eingenommen, geht es auch schon los:
Er fegt, rutscht und steigt über die zwei Sitze, legt sich hin, strampelt mit den Beinen, steht wieder auf und klettert an der Stange hoch. Die Mutter tippt engelsgeduldig an einer SMS.
"Ich will nicht ins Puppenspiel!"
"Warum denn nicht?"
"Ich will einfach nicht!"
"....".
"Ich will etwas trinken!"
"Ich habe nichts dabei - du musst warten, bis wir im
Goetheanum sind. Vor dem Puppenspiel kannst du etwas trinken."
"Ich will aber während des Puppenspiels trinken!"
Als ich mir Gedanken zu machen beginne, wie und ob der Kleine
das Puppenspiel prestiere, nimmt er auch schon Kontakt auf mit einem anderen Buben, der mit seiner Mutter und der kleinen Schwester etwas weiter vorne sitzt. Ich erfahre im folgenden Gespräch zwischen den Erwachsenen, wie die Kinder heissen und wie alt sie sind (mein Bub mit dem Pilzrucksäcklein ist viereinhalb).
Auch der Kindergarten wird kurz abgehandelt.
Dann muss die Mutter mit den zwei Kindern bereits wieder aussteigen. Die Kleine hat sie auf dem Arm. Ihr Bub hingegen wird vom verhaltensoriginellen Fliegenpilzchen am Jackenärmel festgehalten und kommt nicht los. Erst als er herzzerreissend zu schreien beginnt, dreht sich seine Mutter um, befreit ihn, und sie steigen heil aus.
Und was höre ich da die Engelsmama sagen?
"Gäll, jetzt ist es wieder ruhig hier!"
Der Kleine wechselt die Seite, schmiegt sich zärtlich an seine Mutter, knuddelt sie und kneift ihr dann in die Wange.
An der nächsten Station steige ich aus.