Noch befinden wir uns 'zwischen den Jahren'.
Es sind Tage der Nachdenklichkeit, Besinnung und Verabschiedung.
Aber auch des Vorwärtsschauens und Planens von Neuem.
Im Briefkasten und in der Mailbox sammelt sich die Post mit Wünschen, Gedanken und Sprüchen fürs kommende Jahr.
Einer davon ist der rotgeschriebene oben.
Ich lese ihn.
Erlebe jedes Wort als schön und fein geschliffen.
Trotzdem.
Bei mir trifft er nicht ins Zentrum.
Meine lädierten Füsse gestatten mir keine Umwege.
Ich benötige den kurzen, direkten Weg.
PS. Und deshalb lasse ich dieses Mal die Finger von allen Sprüchen -
wünsche euch nur den für euch passenden Übergang und Weg ins
"Kära svenskar, hemma och utomlands",
(Liebe Schweden, daheim und im Ausland),
so begann der schwedische König seine alljährliche Weihnachtsrede.
Da ich mich mitgemeint fühlte, las ich in den Dagens Nyheter weiter, was der Kungen zu sagen hatte:
"Wenn die Erde ein Apfel ist, so ist das Leben auf unserer Erde - Menschen, Tiere und Pflanzen - so zart wie der Tau auf einem Apfel, den man leicht mit dem Ärmel abreiben kann." (Übersetzung Hausfrau Hanna)
Nach all den hässlichen Schlagzeilen der vergangenen Monate über sein ausschweifendes Leben fand der König passende Worte für ein Thema, das ihm offensichtlich am Herzen lag:
Unsere Umwelt. Und die Fragilität des Lebens auf dieser, unserer Erde.
Ich fragte mich dann, wo er nur solche Worte gefunden haben mag und vermutete, dass seine Frau, Drottning Silvia, ihm wohl in den vergangenen schwierigen Wochen das von ihr herausgegebene Gebetsbuch zugesteckt hatte (und in dem ich in einem Stockholmer Buchladen ebenfalls geblättert habe...).
Carl XVI Gustaf blätterte wohl nicht nur, sondern las auch darin.
Denn er beendete seine Rede an die schwedische Bevölkerung mit einem Gebet aus diesem Buch:
"Hilf uns, die Lebenskraft, die du in der Schöpfung angelegt hast, zu pflegen, damit wir verwalten und nicht verbrauchen, aufbauen und nicht zerstören." (Übersetzung Hausfrau Hanna)
PS. Ich hoffe nun, der Kungen hat dieses Gebet nicht nur an seine schwedischen Untertanen gerichtet, sondern zuerst und vor allem an sich selbst.
PPS. Und ich wünsche ihm, dass er seine Lebenskraft von nun an nur noch in gute, nachhaltig wirkende Projekte für unsere Umwelt stecken möge...
Peter Jöback, der schwedische 'Schlagerkungen' hat Leonard Cohens Text umgearbeitet.
Nun mag ich ja wirklich (fast) alles, was Schwedisch ist.
Trotzdem.
Peter Jöback sah mir auf den Videos irgendwie zu weihnächtlich aus. Deshalb habe ich auf ein Video gewechselt, auf dem nordische Landschaften die Musik begleiten...;)
PS. Wer immer noch nicht genug hat, kann sich ja dieses noch anschauen ;-)
PS. So schöne, gut riechende und ausgezeichnet schmeckende Spitzbuben habe ich noch nie, gar nie bekommen.Unterdessen sind die Buben gegessen. Jeder einzelne mit Bedacht und Genuss.
PPS. Hausfrau Hanna hofft nun, dass in einem Jahr wieder ein solches Paketchen mit himmlischsüssem Inhalt im Treppenhaus steht...
Nach den Tagen des Aufgewühltseins, der inneren Zwiesprache (und ja, auch der Anklage), nach dem stundenlangen Aufsein bis weit über Mitternacht hinaus, ist mehr Ruhe eingekehrt.
Mein Zuhause, dieser Ort des Vertrauens und des Angenommenseins war dabei wichtig und eine grosse Hilfe.
Aber auch die Kommentare von euch, Schneiderin, Frau Flohnmobil, Lisette, Jörg-theomix, Anhora, Jutta Wilke und Ursula haben ihren Teil dazu beigetragen. Dass ihr euch einen Moment Zeit genommen und der eigenen Betroffenheit in einem Kommentar Raum gegeben habt, hat mich berührt.
Dafür danke ich euch.
Wir waren Freundinnen.
Mehr als dreissig Jahre.
1981, in den Skiferien, hörten wir dieses Lied. Es gefiel uns beiden. Und so spielten wir es auf dem kleinen Kassettenrekorder immer und immer wieder ab im Hotelzimmer. Dass ihr der Text unter die Haut ging, sagte sie zwar. Aber damals nahm ich, die Heitere, das nur bedingt wahr. Vor nicht allzulanger Zeit schenkte ich ihr die CD mit dem Lied zu ihrem Geburtstag. Sie freute sich sehr darüber. Wir lachten unbeschwert, waren übermütig. Sie spielte das Lied, und wir erinnerten uns gemeinsam an jene Zeit.
Dass sie in letzter Zeit müde war, wusste ich.
Dass ihre Seele todmüde war, bemerkte niemand.
Seit ich mit der Nachricht konfrontiert wurde, dass sie vor ein paar Tagen über die Brücke ging, von deren anderem Ende es kein Zurückkommen gibt, ringe ich um Fassung.
Trauer und Schmerz überschwemmen mich.
Und dazwischen der Zorn, wenn ich eine Antwort hören möchte und keine bekomme.
Ich habe keine Nachrichten geschaut und gehört am Wochenende. Eine Sonntagszeitung habe ich auch nicht abonniert.
Erst heute Morgen habe ich in der Tageszeitung und dann in den DN gelesen, dass es beinahe zu einer Katastrophe in Stockholms Innenstadt gekommen ist.
Ich liebe diese Stadt, und ich kenne einige Menschen, die dort wohnen.
Deshalb ist mir diese Meldung besonders nah und unter die Haut gegangen. Und ich mag mir nicht weiter ausdenken, was alles hätte sein können.
Es müssen Engel über der Stadt gewacht haben am Samstagnachmittag.
Vor einem Jahr habe ich hier im Blog einen kleinen Bericht über das schwedische Lichterfest, das Luciafest, geschrieben.
Morgen Nachmittag ist es wieder soweit. Das schwedische julfest (Weihnachtsfest) wird vorgefeiert mit glögg (Glühwein), tombola, dans kring granen (Tanz um den Tannenbaum), fika (Kaffee und Kuchen), luciatåg (Luciazug) och tomtenissar (Weihnachtswichtel).
Sobald die Mädchen hinter der lichtergeschmückten Lucia einziehen und glockenhell das 'Lucialied' singen, wird es still im Saal:
"Natten går tunga fjät runt gård och stuva.
Kring jord som sol förlät, skuggorna ruva.
Då i vårt mörka hus, stiger med tända ljus,
Sankta Lucia, Sankta Lucia.
Natten var stor och stum. Nu hör, det svingar,
i alla tysta rum, sus som av vingar.
Se på vår tröskel står vitklädd, med ljus i hår,
Sankta Lucia, Sankta Lucia."
PS. In der Wirklichkeit wird alles viel schöner sein. Aber auch das Video gibt einen Eindruck der Andacht und Ernsthaftigkeit, mit der die Mädchen dabei sind.
Und man kann vielleicht nachvollziehen, dass Hausfrau Hanna ganz in dieser feierlichen Stimmung mitschwingt und aufgeht. Und dabei das Augenwasser nicht zurückhalten kann...
Sie hat es versucht, einige Male schon.
Umsonst.
PPS. Hier eine Deutschübersetzung des Lucialiedes, die sich sogar reimt...
"Schwer liegt die Finsternis auf unseren Gassen,
lang hat das Sonnenlicht uns schon verlassen.
Kerzenglanz strömt durchs Haus. Sie treibt das Dunkel aus:
Santa Lucia! Santa Lucia! Santa Lucia!
Groß war die Nacht und stumm. Hörst du’s nun singen?
Wer rauscht ums Haus herum auf leisen Schwingen?
Schau, sie ist wunderbar, schneeweiß mit Licht im Haar:
Santa Lucia! Santa Lucia!"
Die langen, dunkeln Wintertage sind eingekehrt in Stockholm, meiner Lieblingsstadt.
Aber dann plötzlich gibt es Tage, an denen ganz tief am Horizont die Sonne durchbricht.
Ihr riesiger Glorienschein taucht die Stadt in ein überiridisch schönes Licht.
Bild aus DN online
PS. Jetzt fehlen nur noch die Engel, die über der Stadt singen und lobpreisen...
Mein erstes geistliches Konzert war Händels 'Messias'.
Er wurde in der Dorfkirche im engen Tal aufgeführt vom Kirchenchor, in dem Mutter sang.
In der Erinnerung sitzt das kleine, lebhafte Mädchen erstaunlich ausdauernd und ruhig in der harten Kirchenbank neben der Grossmutter und lauscht der Musik. Die weichen Streicher haben es ihm mehr angetan als die menschlichen Stimmen, die einer Flutwelle gleich über die Menschen im Kirchenraum hinwegrollen.
PS. Diese Halleluja-Version ist im Moment überall in den Blogs aufgeschaltet.
Wer sie noch nicht kennt, kann hier zuhören:
Ich räumte meinen Kasten auf, er hatte es nötig. Über die Jahre sammelte sich in den Regalen viel, viel Papier an:
Lose herumliegende Zettelchen mit Sprüchen und Zitaten, von denen ich beim Lesen angetan war.
Aberdutzende A4-beschriebene Blätter mit Zusammenfassungen geliebter Bücher.
Ringhefte, vollgepackt mit Ideen und Zeichnungen für die Arbeit.
"Papier ist geduldig, es nimmt alles an", war einer der Sprüche meiner Mutter.
So wie es im Kasten aussah, hätte er ebenfalls auf einem meiner Zettelchen stehen können...
Nun räumte ich also auf und entsorgte. Das meiste Papier kam ins Altpapier und ich war mir sicher, nichts davon je zu vermissen.
Vor der definitiven Entsorgung konnte ich es doch nicht lassen.
Ich las mich durch einige der handgeschriebenen Seiten und tippte den einen oder andern Spruch oder ein besonders schönes Zitat in mein Blog ein.
Man weiss ja nie... ;-)
Dieser Walserspruch macht den Anfang, weil er irgendwie in die Zeit passt:
"FRIEDE dem Kommenden.
FREUDE dem Bleibenden.
SEGEN dem Scheidenden."
PS. Und BRUNSLI und SCHOKOLADE für Hausfrau Hanna!
Mein Blogbeitrag vom Samstag hat eine schwedische Blogleserin veranlasst, mir zu erklären, was es mit Kamprads Mütze auf sich hat. Dank ihrer E-Mail habe ich wieder Neues gelernt über schwedisches Design. Diesmal in Wolle.
"Goddaggoddag Hausfrau Hanna, mössan som Herr Kamprad har på sig är en "Lovika-mössa". Det är ett MYCKET svenskt märke och en fin mössa. Men ser mycket riktigt förfärlig ut på Herr Kamprad. Kanske IKEA säljer dem nu... är mycket varma. Finns också i vantar 'Lovika-vantar'. Jag har vantar men ingen mössa. Det karakteristiska med dessa Lovikaobjekt är styngnen som är broderade runt kanten men dess historia får du kanske fram på Google... den känner jag inte till.
Söndagshälsningar från Maggan"
"Gutentaggutentag Hausfrau Hanna,
die Mütze, die Herr Kamprad trägt, ist eine 'Lovika-Mütze'. Das ist eine SEHR schwedische Marke und eigentlich eine schöne Mütze. An Herrn Kamprad sieht sie jedoch richtig schrecklich aus.
Vielleicht verkauft IKEA im Moment solche Mützen, da sie sehr warm geben.
Es gibt auch 'Lovika-Handschuhe'. Ich habe Handschuhe, jedoch keine Mütze.
Das Charakteristische dieser Lovikadinger sind die auf den Rand gestickten Stiche. Aber diese Information bekommst du über Google... darüber weiss ich zu wenig.
Sonntagsgrüsse von Marg."
PS. Übersetzen ist Schwerarbeit. Ich habe Hochachtung vor allen, die das beruflich machen...
Die neue Weihnachts-CD von Annie Lennox 'A Christmas Cornucopia' wird überall beworben und in den höchsten Tönen gerühmt.
Weihnachtsmusik m u s s sein, eine neue CD ebenfalls, und so höre ich sie mir im Musikgeschäft an.
Nicht alle Lieder gefallen mir: Manchmal hat die Stimme zuviel Druck, manchmal trifft das Arrangement nicht meinen Geschmack.
Trotzdem. Ich kaufe die CD.
Weil Annie am Schluss dieses Lied singt, das ein wenig an Bob Dylans 'Blowing in the Wind' erinnert.
Schön, einfach schön.
Da Capo!
... das habe ich soeben online in den Dagens Nyheter gelesen, ist ein Schwede: "Kamprad är den rikaste i Schweiz" (das muss ich nicht übersetzen, das versteht man auch so).
Und weiter: "Ikea-grundaren Ingvar Kamprads förmögenhet har i år vuxit med cirka 3 miljarder schweizerfranc till mellan 38 och 39 miljarder franc (cirka 273–280 miljarder kronor)".
Ikea-Gründer Ingvar Kamprads Vermögen ist in diesem Jahr um rund 3 Milliarden Schweizerfranken auf 38 oder 39 Milliarden Franken angewachsen (ca. 273-280 Milliarden Kronen).
PS. Eine Frage beschäftigt mich nun: "Herregud, wie kann man bloss eine solche Mütze tragen, wenn man so reich ist?"
PPS. Die Antwort von Herrn Kamprad lautet wahrscheinlich: "Hauptsache, sie gibt warm und kratzt nicht."
... gehört nicht ins Repertoire meiner Redensarten.
Ich trinke lieber Kaffee.
Und so ist eigentlich 'die Grosse' schuld, dass ich mit Teetrinken begonnen habe. Sie schickte uns nämlich zum ersten Advent diese Engelkarte:
Nun, die Karte warb für einen Adventkalender mit 24 verschiedenen Teebeuteln.
Beschriftet mit so wunderbar klingenden Namen wie 'Grüner Glückstee', 'Gute Laune-Früchtetee', 'Winternacht-Tee', 'Schnupfnasen-Tee'. Alle übrigens in Bioqualität :-)
Irgendwie haben es mir dieses Jahr die Adventkalender angetan. Auch dieser Kalender musste her!
Eigentlich habe ich gleich deren zwei gekauft:
Die Teebeutel aus dem zweiten Kalender sind nämlich bestimmt für Leute, die ich im Advent nicht treffen kann. Jeden Tag, bis zum 24. Dezember, lege ich ein Aufgussbeutelchen in eine Karte, schreibe ein paar Gedanken dazu und verschicke sie an jemanden in der nahen und weiten Umgebung.
PS. Und während ich am späten Nachmittag den Teebeutel ziehen lasse, denke ich eine teetasselang an genau diesen Menschen.
Schön ist das.
Und erwärmend.
Advent ohne Kalender ist:
...wie Fasnacht ohne Konfetti,
...Ostern ohne Zuckereili,
...Winter ohne Schnee und Fondue.
Deshalb musste in 'Hausfrau Hannas' Haushalt ein Adventkalender her!
Und in diesem Jahr ein ganz besonderer.
Ich habe ihn bestellt bei der englischen Kartendesignerin Missis Lawson, die die zauberhaftesten Werke kreiert, die man sich überhaupt vorstellen kann.
Heute geht das ganz bequem und schnell per Internet.
Sämtliche Kinder, die ich kenne, wurden mitbeliefert.
Diese sitzen nun jeden Tag vor dem Laptop mit entrücktem Blick. Versinken in die kleinen Wunderwerke, die sich vor ihnen auftun. Und ein Hauch von Sucht schwingt mit, wenn ihren Mündchen ein "Nomoll, nomoll, nomoll" entströmt...
"Vad?", sagte der König, als ihn die Reportermeute nach der Elchjagd interviewen wollte.
Dann hielt er sich eine Hand an die Ohrmuschel: "Vad? Ich habe zuviel geschossen. Ich höre nicht mehr gut."
PS. Vielleicht sollte es der schwedische König seinen Ohren zuliebe einmal mit Gehörbildung versuchen.
Die Schweden haben zum Geld irgendwie eine persönliche Beziehung.
Zumindest zum 20-Kronenschein.
Darauf abgebildet sind die Schriftstellerin Selma Lagerlöf und ihr kleiner Held Nils Holgersson. Umgangssprachlich nennen die Schweden deshalb das Nötli liebevoll 'Selma'.
Vielleicht auch deshalb, weil der Wert einer Selma so bescheiden ist (ungefähr drei Schweizerfranken), dass sie in allen Portemonnaies am häufigsten anzutreffen ist.
Auch auf dem 50-Kronenschein ist eine Frau abgebildet, die Opernsängerin Jenny Lind. Und auch damit kommt man nicht weit im schwedischen Alltag.
Die grossen Noten, und das mag im gleichberechtigten Schweden doch leicht verwundern, sind den Männern vorbehalten, Carl von Linné etwa, dem in den Adelsstand erhobenen Botaniker und Forscher.
Den andern Carl adeligen Geblüts, den aktuellen König Carl Gustav, sucht man hingegen vergebens auf einem Geldschein...
PS. Und bei den heftigen Schlagzeilen, die Kungen Carl Gustav im Moment macht, würde es mich doch sehr überraschen, wenn er bei einer allfälligen neuen Sujetverteilung Berücksichtigung fände...
"Adventszeit: Ich hetze von Besinnung zu Besinnung"
Ich fand den Spruch bei theomix und las ihn auch gleich Hausmann Hanna vor.
"Dä isch guet", meinte dieser lakonisch.
Was zuerst einen Heiterkeits- und Lachanfall auslöste, machte später beim Nachtessen ein paar grundsätzlichen Gedanken Platz. Gedanken zum Advent und dessen Fülle an Angeboten:
Konzerte und Gottesdienste mit musikalischen Einlagen.
Licht- und Gedenkfeiern. Bazare für gute Zwecke.
Weihnachtsmärkte allüberall in der Stadt und in den Theatern ebenfalls besondere Programme.
Wir könnten jeden Tag, jeden Abend einen Anlass besuchen, fast wird es zur Pflicht.
Und weil die meisten der Veranstaltungen uns auch ansprechen und viele engagierte Menschen an der Vorbereitung beteiligt sind, ist und fällt es schwer, nein zu sagen.
Der so witzig daherkommende Spruch hat uns das Dilemma aufgezeigt und dabei mitten in den Sinn des Advents getroffen...
Dank Anhora erinnerte ich mich, dass ich Pascal Merciers 'Nachtzug nach Lissabon' vor ungefähr vier Jahren gekauft hatte. Die Buchhändlerin gab mir damals netterweise einen 30% Freundschaftsrabatt...
Ich suchte das ungelesene Buch hervor - es befand sich ganz weit unten im Bücherstapel.
Der Anfang nahm mich gefangen. Die ersten hundert Seiten las ich in einem Rutsch durch, atemlos vor Begeisterung. Die Idee, einfach wegzufahren und das normale, gewohnte Leben hinter sich zu lassen, faszinierte mich.
Dann geschah etwas, was mich selbst jetzt noch leicht geniert:
Die Geschichte wurde mir zu langfädig, ertrank mir in zu vielen schönen, wohlgewählten Worten.
Diese mussten mich derart sediert haben, dass ich immer und immer wieder über die gleichen Sätze las, ohne den Inhalt mitzubekommen. Irgendwann wurde mir das zu anstrengend, ich konnte nicht mehr. Das Buch glitt mir aus den Händen, und ich schlief ein...
PS. Ich wollte den 'Nachtzug nach Lissabon' unbedingt fertiglesen.
Auch deshalb, weil ich überzeugt war, dass Pascal Mercier gut schrieb.
Nachdem mir jedoch immer wieder dasselbe passierte und ich über dem Buch einnickte, gab ich knapp vor Seite 200 auf.
PPS. Jetzt liegt das Buch im Altpapier und wartet auf die nächste Abfuhr.
... heisst auf Deutsch: Glühwein, Erbsensuppe, warme Wurst.
Und genau das gibt es heute zum Mittagessen. Am schwedischen Julbasar (Weihnachtsbazar). Da sich die Temperaturen um den Gefrierpunkt herum bewegen und sogar ein Hauch Schnee auf den Dächern und Bäumen liegt, passt dieses doch ziemlich deftige Essen perfekt. Der Glögg heizt zudem so schön ein und macht die Muskulatur locker und geschmeidig, dass Schwedisch plötzlich wie von allein geht...
Fürs Wochenende habe ich eine schöne, schwedische Musik ausgesucht.
ABBA-Mann Benny Andersson sitzt übrigens persönlich am Klavier:
PS. "Öppna alla grindar" heisst übersetzt "Öffnet alle Zauntüren!"
PPS. Oder wie Hausfrau Hanna passend zum morgigen 1. Advent übersetzen würde:
"Macht hoch die Tür, die Tore macht weit...!"
hatte doch jede Station eine eigene künstlerische Prägung,
die ich wirken lassen konnte.
Tunnelbanstation in Bagarmossen
PS. Bagarmossen, meine Hausstation, fand ich besonders hübsch dekoriert mit den beidseitig aufgehängten Tafeln: Ein heiterer, farbiger Gruss zur Ankunft oder Abfahrt.
"Ju sink tu matsch, täts se problem" - sagt der Grieche Zorbas.
Der schelmische Lebenskünstler und originelle Alltagsphilosoph richtet diese Worte - nein, nicht an Hausfrau Hanna - sondern an seinen englischen Freund Basil, dem alles in Frage stellenden Denker und Grübler.
Einen Film lang lehrt er ihn das Leben, das Lieben, das Feiern und Geniessen.
Und ganz am Schluss gelingt es:
"Teach me to dance, will you?" bittet Basil Zorbas. Und dann lösen sich seine Denk- und Grübelfalten auf, und das gibt den Beinen Leichtigkeit und Schwung für den ersten Sirtaki:
Vor einiger Zeit las ich in einem Artikel der kleinen Regiozeitung, die ich aus Solidarität immer noch abonniert habe, Folgendes:
Ein Pfarrer, Leiter eines reformierten Tagungszentrums, hatte mit seinem Team eine zweitägige Tagung zu Befreiungstheologie und feministischer Theologie ausgeschrieben. Trotz der ins Auge springenden, griffig gewählten Überschrift 'befreit und entfesselt' sprach das Thema offensichtlich zu wenig an, oder es erschien vielen in der heutigen Zeit nicht mehr aktuell.
Die Anmeldungen zur Tagung waren derart spärlich, dass der Kurs abgesagt werden musste.
Das allein fand ich nichts Besonderes. Kurse mussten und müssen immer wieder wegen zu geringer Teilnehmerzahl abgesagt werden.
Es war die Begründung des organisierenden Pfarrers, die mich nachdenklich stimmte:
"Während einer Krise gewinnt die konservative, evangelikale Theologie an Bedeutung, die Leute suchen darin Sicherheit und Geborgenheit."
Es gibt Männer, die können sich einfach klug ausdrücken. Und zwar so klug, dass ich immer verwirrter werde, je länger ich die Worte auf mich wirken lasse und vor mich hin brummle:
"Ist mir jetzt der Mensch, der ich sein wollte, ein Trost?
Oder der Mensch, der ich nicht war?
Oder ist mir vielleicht doch der aktuelle Mensch, der ich bin, Trost?"
PS. Wahrscheinlich liegt es auch nur am momentanen Wetter, dass ich verwirrt bin.
Ein gutesWochenende und Novembergrüsse an alle
Hausfrau Hanna
Gestern feierte die älteste und am längsten hier wohnende Mieterin ihren 95. Geburtstag.
Sie ist in den Jahren, die wir hier wohnen, klein und gebückt geworden, und ihre körperlichen Kräfte haben nachgelassen. Ihre geistige Präsenz und ihre Freude am Diskutieren und am Austausch - aber auch die Klarheit, mit der sie sich immer wieder abgrenzt gegen zuviele 'Verhätschelungen' von unserer Seite, beeindrucken mich. Sie lehrt mich mehr über das hohe Alter, als alle Ratgeber und Bücher über das Alter zusammen es täten...
Kürzlich traf ich sie an im Treppenhaus. Sie benützte die Wand als Rückenstütze, und so konnten wir uns über längere Zeit unterhalten:
Über den Herbst und den nun bald beginnenden Winter.
Über Schreibende, die in Gedichten ihre Gefühle und Bilder zur dunkeln Jahreszeit hin zu uns transportieren und uns berühren.
Und dann rezitierte sie mit tragender, kräftiger Stimme ein Gedicht, ohne sich ein einziges Mal besinnen zu müssen oder im Fluss gebremst zu werden:
Oktober
Oktober schüttelt das Laub vom Baum
und gibt es den Winden zu eigen.
Die führen es fort im weiten Raum,
weit fort von den trauernden Zweigen.
Die stehen jetzt da mit kahlem Haupt:
Wer hat uns beraubt, wer hat uns entlaubt?
Wo sind die Blätter, die lieben, geblieben?
Doch die, vom wirbelnden Winde getrieben,
haben längst vergessen, wo sie gesessen.
Seit 1985 wohne ich in der Stadt.
Seit 1985 bin ich Abonnentin der einzigen (!) städtischen Tageszeitung, da ich informiert sein will über kulturelle, politische, wirtschaftliche Themen der Stadt und der Region.
Anfangs Jahr nun wurde die Zeitung verkauft.
Die neuen Besitzer bereiteten mir Unbehagen, trotz ihrer Beteuerung, die Zeitung bleibe unabhängig und selbständig.
Ich blieb trotz meines Bedenkens Abonnentin, weil mir die tägliche Lektüre der Zeitung zu wichtig war. Und so lief das Abonnement weiter.
Und jetzt dies!
Am Sonntagmittag legte uns die Nachbarin einen Artikel der NZZ am Sonntag vor die Wohnungstüre, der mich in die Sätze jagte und den Puls auf mindestens 100 beschleunigte:
SVP-Oberst Blocher bekommt ein Beratungsmandat bei meiner Tageszeitung!
Das Abonnement habe ich bereits bezahlt für ein weiteres Jahr.
Dann wird es abbestellt.
PS. Vielleicht gibt es bis dann ja eine Alternative...
War das ein Wochenende!
Mitte November bei 20 Grad dem Fluss entlang zu spazieren, ist schon aussergewöhnlich.
Ich setze mich auf eine Bank am Ufer, lasse das Gesicht von der Sonne bescheinen und schaue mit leicht zugekniffenen Augen den Möwen zu.
Ich mag Möwen.
Obwohl sie etwas Klagendes in der Stimme und manchmal etwas gar Stechendes im Blick haben.
Fliegen sie über den Fluss und lassen ihre Schreie ertönen, überkommt mich die Sehnsucht, und ich fühle mich weit weg im Norden am Meer.
Ich kann das Meer sogar riechen.
Ich vertrieb mir die Wartezeit mit Stöbern im Buch- und Musikladen,
ging mit absichtslosem Blick von Regal zu Regal.
Im CD-Rayon, zuvorderst eingereiht unter dem Buchstaben S,
fand ich sie, die CD mit meinem Lieblingssong 'Dancing in the Dark',
nach der ich schon mehrmals vergebens gesucht hatte.
Was für ein glücklichmachender Zufall!
Und erst noch zum unglaublichen Preis von Fr.13.90:
Bruce Springsteen als Schnäppchen...;-)
PS. Und sah er nicht aus wie ein kraftstrotzender, griechischer Gott, der junge Bruce Springsteen?
Mit einer elektrisierenden Wirkung, auch wenn wir damals zu anderer Musik im Dunkeln getanzt haben...
Der Schweizer Geologe konnte Ende Oktober seinen 100.Geburtstag feiern
und wurde in der Tageszeitung mit einer spannend zu lesenden Reportage gewürdigt.
PS. Einer der beiden hat übrigens in einem Interview diesen bemerkenswerten Satz gesagt: "Auf dem linken Auge bin ich komplett blind, mit dem rechten sehe ich nur Schönes".
Wahrscheinlich habe ich einfach zuviel gefestet an diesem Wochenende und zuviel Alkoholisches gesüffelt aus dem Dreiliterfass, das mir Bloggerkollege Jörg-theomix zu meinem ersten Bloggeburtstag aufgemacht hat.
Auch Kerzen ausblasen kann ganz schön atemlos machen.
Vielleicht sind mir auch all die Prosits, Tuschs und Glückwünsche in den netten Kommentaren zu Kopfe gestiegen:
Ich bin müde. Einfach nur müde. Sofamüde.
Zum Glück ist es trüb heute. Es sieht nach Regen aus.
Und so kann ich die Antwort der lebensklugen Rahel Varnhagen heute den ganzen Tag auf mich wirken lassen:
... haben 'Hausfrau Hanna' und ich zusammen begonnen zu bloggen.
Der Anfang gestaltete sich allerdings schwierig. Wir stellten uns so dumm und bockig an, dass es (mindestens) einen sanften Anstupser eines bereits erfahrenen Bloggöttis brauchte, bis es klappte.
Mit vielen Dingen im Leben ist es halt so:
Man braucht Unterstützung, Hilfe, Bestätigung. Dann wird und geht es plötzlich ganz einfach.
Wir geben es zu, etwas aufgeregt waren wir dann doch, als wir nach dem Schreiben des ersten Beiträgleins gemeinsam auf 'Senden' drückten...
Ein Blog ohne LeserInnen, ohne Zuspruch, ohne Kommentare hätte wahrscheinlich die sprudelnde Quelle bald schon zum Versiegen gebracht. Dass das nicht passiert ist, liegt am Echo, das immer wieder auf unsere Beiträge zurückschallte. Und so bloggen 'Hausfrau Hanna' und ich zu unserem Amüsement, freuen uns über jeden Kommentar und erleben die virtuellen Kontakte als Bereicherung.
Deshalb schicken wir ein herzliches Dankeschön an alle, die in unserem Blog lesen und kommentieren.
PS. *Räusper*
Wir hätten Freude, grosse Freude, riesengrosse Freude, überschäumende Proseccofreude, wenn wir auch noch Geburtstagspost bekämen. Von sämtlichen netten Leserinnen und Lesern.
PPS. Das würde uns sehr motivieren, ein weiteres Jahr weiterzuschreiben...;-)
Hin und wieder besuche ich die städtische Bibliothek und leihe mir Bücher aus, für die ich kein Geld ausgeben möchte. Ratgeber- und Lebenshilfebücher zum Beispiel.
Auf dem Cover des blaugelb gestalteten Buches "Mutig in die zweite Halbzeit!" lachen mich drei aufgestellte Frauen und ein Mann an. Alle haben die 50 (60?) überschritten. Sie sehen blendend aus, die Zähne sind strahlendweiss, die Haare hingegen ohne den leisesten Hauch eines Weisstons.
Energie, Lebensfreude, Erfolg ab 50 - ich fühle mich angesprochen und nehme das Buch mit.
Es wird eine kursorische Lektüre.
Die beiden Autorinnen schreiben in einem einfachen, flüssigsüffigen Stil garniert mit vielen, vielen, vielen Ausrufezeichen. Die Imperative sollen mir als Leserin wohl die Wichtigkeit mancher Sätze verdeutlichen: "Das Beste kommt noch!" "Werden Sie Lebenskünstler!" ""Machen Sie Lächel-Yoga!" "Gestalten Sie Ihr Glück!"
Schon will ich das Buch weglegen, es ist mir zu wenig intelligent, da werde ich aufmerksam:
Eine unbekannte Leserin (oder ein Leser) hat sich im Buch verewigt und aus Ärger und Frustration über das Gelesene jeglichen Anstand über Bord geworfen und feinsäuberlich mit Kugelschreiber Kommentare an den Rand geschrieben.
Nun unterhalte ich mich plötzlich beim Lesen, weil die Kommentare so schräg, treffend und griffig sind.
Auf Seite 67 zum Beispiel schreiben die beiden Autorinnen Gabriele Stöger und Mona Vogl:
"Aber singen können Sie noch bis an den Tag Ihres grossen Finales! Ist Musik also gut für die Gesundheit? Doch Vorsicht: Viele Menschen hören zwar gerne Klassik und besuchen Konzerte. Dabei kann man schön entspannen und geniessen. Aber echte Lebensfreude schafft solch ein passiver Konsum nur selten. Aktiv singen ist viel besser.""Viele Menschen hören zwar gerne Klassik und besuchen Konzerte. Dabei kann man auch schön eund geniessen. Aber echte Lebensfreude schafft solch ein passiver Konsum nur selten. A
Und schon kommt der Einwand der Unbekannten: "Da wäre ich mir nicht so sicher."
Oder folgende platte Aussage der Autorinnen: "Beim Essen muss man nicht wirklich noch Radio hören und/oder Zeitung lesen. Beim Autofahren muss man nicht (immer) telefonieren", wird vervollständigt mit dem umweltfreundlichen Ausspruch: "Auch nicht beim Tramfahren!"
PS. Heute bringe ich übrigens das Buch zurück, um einer anderen Person dieses Leseerlebnis zu ermöglichen: "Wir bereiten Sie gemeinsam auf die zweite Spielhälfte vor. Damit es das Spiel ihres Lebens wird. Damit mächtig was abgeht in der zweiten Hälfte."
Mit den Sternen kenne ich mich nicht gut aus.
Vielleicht, weil in der Stadt nur ein begrenzter Nachthimmel sichtbar ist und das Licht der vielen Beleuchtungskörper nie richtige Dunkelheit zulässt.
Sicher kenne ich nur die Kassiopeia, die wie ein grosses W am Himmel steht und den Grossen Wagen.
Im Moment fährt er tief am Horizont vorbei.
Ich winke ihm zu.
Die Sterne helfen mir immer wieder, Dinge in eine andere Perspektive zu rücken.
Und ich freue mich auf die Stille, das Verweilen, das Schweigen im Winter.
"Guten Abend Hausfrau Hanna, als grosser Schwedenfan könnte dich folgende Fernsehsendung von Freitag interessieren: SF unterwegs in Schweden. Sie wird am Freitag, den 29. Okt. von 21.00 - 21.50 Uhr auf SF 1 ausgestrahlt. Ich wünsche dir viele Erinnerungen an dieses traumhafte Land!"
Danke, lieber K., für diesen TV-Tipp! Natürlich werde ich die Sendung nicht nur anschauen, sondern sie Moment für Moment mitleben.
Heimweh und Sehnsucht haben jedoch kaum Zeit sich einzunisten. Es geht nämlich nahtlos weiter mit Schweden:
Morgen kommen meine zwei schwedischen Mädchen, storasyster Lotte und lillasyster Siri, zu Besuch.
Als ich das am Telefon vernahm, liess ich ein Freudengeheul los, liess mich auf die nächstbeste Sitzgelegenheit fallen und musste die Neuigkeit zuerst setzen lassen.
Morgen gegen Mittag kommen sie an. Zusammen mit ihrer Mutter Elisabeth. Direkt aus Stockholm.
Jag är så glad, så jättemycket glad: Välkomna mina två söta flickor :)
PS. Und nicht genug: Heute bin ich noch zu einer gemütlichen 'fika' eingeladen. Natürlich...
...bei einer Schwedin.
Ich mag es nicht, wenn Erwachsene mich mit einem 'Hallo' begrüssen,
und dann die Küsschen auf meine Wangen hauchen.
Beides fühlt sich genau gleich unverbindlich an.
Ich will den Händedruck spüren.
Und meinen Namen hören...
Dass die Schweden weltweit am meisten Süsses essen, wusste ich und war für mich irgendwie erklärbar:
Man kann in den langen, dunkeln Wintermonaten nicht immer nur singen oder Kerzen anzünden.
Der Konsum von Süssigkeiten wirkt ebenfalls erhellend aufs Gemüt. Nun ist Zucker allerdings für die Gesundheit und die kindlichen Zähne nicht unbedingt förderlich. Deshalb wurde in der Begriff 'lördagsgodis' geprägt und die Eltern damit in die Pflicht genommen, ihren Kindern nur am Samstag (lördag), Süssigkeiten (godis) zu erlauben...
Ob diese pädagogischen Ermahnungen dem 'Karamellkönig' ('karamellkungen') Umsatzeinbussen beschert hat, weiss ich nicht.
Dank Lisettes Kommentar gestern weiss ich nun, wer dieser König ist - eine grosse Bildungslücke hat sich geschlossen...;-)
Tack tack!
PS. Und anstatt heute eine Tafel Schokolade zu verdrücken, versucht euch doch am königlichen 'chokladpanik'-Spiel:
Viel Vergnügen - mycket nöje!
Dank eines schwedischen Klatschblogs ('skvallerblogg') erweitert sich mein Wortschatz laufend. Und weil die Artikelchen ganz einfach geschrieben und mit schönen Bildchen versehen sind, verstehe ich jedes Wort problemlos:
Kronprinsessan av Sverige möter kungen av tennis. "Åh, vilken tennis han spelar. Så elegant. Så stiligt. Så vackert."
Und jetzt noch die deutsche Übersetzung: Kronprinzessin trifft Tenniskönig. "Oh, was für ein Tennis er spielt. So elegant. So schick. So schön."
PS. Ich hoffe, der so gar nicht elegante, stilvolle und schöne Pokal ist ein Wanderpokal...;-)
Gestern Abend liess ich mich von musikalischen Sternschnuppen beleuchten, berieseln, beglücken.
Das Ensemble 'L'Arpeggiata' mit Christina Pluhar gab ein Konzert in der Stadt.
Als ich vor gut zwei Wochen Karten holte, sah der grosse Musiksaal noch ziemlich leer aus. Zuvorderst und fast in der Mitte hatte es noch freie Plätze - noch näher ans musikalische Geschehen ging nicht:
Nase am Bühnenrand, Ohren ausgerichtet auf die Barockinstrumente, Augen ganz nah bei den Musizierenden.
Im Zentrum des im Halbkreis musizierenden Ensembles stand der Countertenor Philippe Jaroussky.
Dass er eine wunderschön geführte Stimme hatte, wusste ich. An diesem Abend bekam ich mit, wie und dass er die Musik auch lebte und verkörperte und sie weiter transportierte zu uns Zuhörenden im Raum. Das ging über die Blutbahnen direkt ins Herz - bewegte, berührte und machte es offen und weit für jeden Ton, jedes Wort, jede Geste. Als er die Schlussworte des 'Stabat Mater' ausklingen liess, herrschte Stille im Saal - eine alle verbindende, gemeinsame Atempause und Atemruhe.
PS. Der Musiksaal war übrigens ausverkauft. Und das Publikum, vom kleinen Buben bis zum älteren Herrn, spendete in totaler Euphorie langanhaltenden Applaus mit begeisterten Zurufen und einer Standing Ovation.
PPS. Dieses jazzige Monteverdistück gab es als erste Zugabe. Das youtube-Video ist natürlich nicht zu vergleichen mit der Konzertatmosphäre, gibt jedoch einen Eindruck von der Spielfreude und dem Charisma der Musizierenden:
PPPS. 'L'Arpeggiata' ist heute bereits wieder unterwegs zum nächsten Konzert in Mexiko. Das habe ich übrigens erfahren von einem begeisterten Konzertbesucher, der ebenfalls bloggt.
Dieses Sprichwort ist eines meiner liebsten, auch wenn mir nicht ganz klar ist, warum der Baum mit Schwester angesprochen wird.
Ich mag es, weil es das Wunder des Lebens und der Liebe fast ohne Worte beschreibt.
Und es begleitet mich, obwohl es Herbst ist und die Blätter sich verfärben und fallen.
Dabei erzählen sie ebenfalls von Gott.
Sieben Monate hatten wir die Hölle hier.
Ein passenderes Wort fällt mir zur Totalrenovation des unauffälligen Miethauses mit den günstigen Wohnungen in ein Luxusapartmenthaus nicht ein.
Letzte Woche nun fuhren die Möbeltransporter vor. In Windeseile wurde das Trottoir mit Teilen aus dem Baumarkt und Möbeln der oberen Preisklasse vollgestellt.
Für drei Tage war nur noch sanftes Hämmern durch die Wände zu hören, als die Apartments eingerichtet wurden für die neuen Mieter.
Aus der Abfall- und Müllhalde im Hinterhof war in der Zwischenzeit ein puristischer Kyotogarten mit Steinen und einer fast schon meditativen Ausstrahlung entstanden.
Gestern nun entfernte ich die letzten Grüselsachen, die in unserem grünbewachsenen Garten liegengeblieben waren:
Bierdosen. Zigarettenkippen. Betonfragmente. Plastikhüllen.
Ich warf alles hinüber.
Hausfrauenrache.
Soeben wollte ich ein kleines Stück Beton hinüberwerfen, als mich seine besondere Form nachdenklich stimmte:
"Auch Spekulanten haben im Brustkorb ein Herz. Wenn auch nur ein kleines..."
Etwas eigenartig finde ich es schon, dass heute in den 'Dagens Nyheter' diese Nachricht steht: "Pinsam fadäs för norsk musikkår" (peinlicher Fehler des norwegischen Musikkorps).
Nun, es ist bekannt, dass Schweden und Norwegen es nicht so gut miteinander können.
Vielleicht ist das der Grund, dass der Lapsus des norwegischen Musikkorps anlässlich des Staatsbesuches von Bundespräsidentin Doris Leuthard in Norwegen, in der schwedischen Presse überhaupt ein Echo findet: "Musikerna spelade överraskande något helt annat än den väntande schweiziska nationalsången, komponerad av Alberik Zwyssig (1808-1854)."
(Die Musiker spielten überraschenderweise etwas ganz Anderes als die erwartete Schweizer Nationalhymne, die von Albert Zwyssig komponiert wurde).
PS. 'Dagens Nyheter' sei Dank! Immerhin wird mir so wieder einmal in Erinnerung gerufen, wie der Komponist von 'Trittst im Morgenrot daher' heisst...;-)
"Genombrott för världens längsta tågtunnel!"
(Durchstich des längsten Zugtunnels der Welt)
Die Schweiz ist in Schweden ein Thema. Zumindest in der heutigen Ausgabe der 'Dagens Nyheter'.
Da erscheint nämlich ein Artikel mit Bild vom gestrigen Durchstich des Gotthard-Basistunnels.
Durchstich heisst übrigens auf Schwedisch 'genombrott'. Wortgenau übersetzt eigentlich Durchbruch.
Nun hat 'brott' noch eine andere Bedeutung.
Verbrechen oder Vergehen nämlich...
PS. Nicht nur BR Moritz Leuenberger war in Sedrun dabei - auch Bloggerkollege jacoblök war live dabei und festete mit. Hier!
Die vergrämt aussehende, wortkarge Röntgenassistentin richtet mich auf der Liege ein.
Sie unterlegt mein Bein mit einem Kissen. Den Fuss drückt sie an eine Stütze, um ihn in einem 90° Winkel zu halten.
Am Schluss wuchtet die Frau noch drei Sandsäcke auf das Bein: "Damit Sie sich net bewege und es keine verwaggelte Bilder gibt."
Ich bin ihr für diese Erklärung richtig dankbar.
Dann verlässt sie den Raum.
Ich bin allein.
Zuerst höre ich ein Geräusch, ähnlich der Melkmaschine der Bäuerin, mit der ich befreundet bin.
Hinter meinen geschlossenen Augen erscheinen schwarzweiss gefleckte Kühe. Als ich mich dem friedlichen Bild hingeben will, erschreckt mich ein "Tatatatatata" wie aus einem Maschinengewehr fast zu Tode. Zum Glück bremsen mich die drei Sandsäcke am Hochspringen. Mein Puls rast.
"Nur ruhig, Hausfrau Hanna", spreche ich mir innerlich Mut zu, "es geht vorbei. Viele andere Menschen haben das auch schon erlebt und überstanden. Also wirst du es auch überstehen".
Nun schwillt ein langgezogener Ton an, der sich wie eine metallene Orgelpfeife anhört. Darunter wie ein Ostinato das Geräusch eines schnell pochenden Herzes.
Irgendwie hat es etwas Meditatives. Ich freunde mich fast mit diesem Geräusch an und werde ruhiger. Das hilft mir, die folgenden lauten Geräuschsequenzen mit Bildern in Verbindung zu bringen:
Mit einer Nähmaschine etwa, die "Trrrrrrrrrrrrrrrrrr" unendlich lange Stoffbahnen hinunterrattert.
Mit den Kellen des Tinguelybrunnens beim Theater, die stetig Wasser schöpfen und wieder ausleeren.
Trotzdem.
Dreissig Minuten können eine Ewigkeit sein.
Und so atme ich tief durch vor Erleichterung, als mich die Röntgenassistentin befreit mit der nettgemeinten Frage: "Sind Sie etwa eingschlofe?"
PS. Mir fehlten die Worte, und so liess ich die Antwort Antwort sein...
Um eine Sprache zu lernen, die bloss von einer Minderheit gesprochen wird, muss man angefressen sein.
So wie ich und zehn andere, die seit einem Jahr, einmal in der Woche, eineinhalb Stunden Schwedisch lernen.
Bei mir kommt noch Gull-Britt dazu, die Lehrerin in Stockholm mit dem altmodisch und lieblich klingenden Namen und der zackigen Art.
Sie trimmte uns sechs Wochen lang.
Am Ende der Stunde gab sie uns jeweils so viele Aufgaben, dass alle stöhnten, ausnahmslos alle.
Auch die Ehrgeizigen.
Das vermochte ihr nur ein lakonisches, mitleidloses "Ihr habt ja Wochenende" zu entlocken - und schon rauschte sie zur Türe hinaus mit einem höflichen "tack för idag!" auf den Lippen.
Dank Gull-Britt habe ich zwar grammatikalisch nette Fortschritte gemacht, nicht aber meinen Wortschatz vergrössert mit Ausdrücken, die ich wunderbar finde.
Wie zum Beispiel 'betongbarn'. Erst jetzt nämlich, dank meiner Lehrerin hier und einiger Blogleserinnen lerne ich solche Ausdrücke kennen und anwenden.
Ganz aktuell in meinem Repertoire befindet sich seit gestern das 'skitunge' (chiit ünge), was kein wörtlich übersetztes 'Scheisskind' ist, sondern je nachdem eine Nervensäge oder ein Lauser.
Das trifft hin und wieder auch auf die beiden 'bonusbarnbarn' zu...
PS. Und diese wiederum sprechen akzentfreies und glockenklares (=klockren) Schwedisch... :)