Wir reisen mit der Bahn in den Süden. Wir steigen ins Ruheabteil ein, der Ort im Zug, wo Ruhebedürftige normalerweise ungestört lesen, schreiben oder schlafen können:
Der Ruhewagen ist gut besetzt. Zuhinterst hat eine junge Frau zwei Viererabteile belegt. Eines braucht sie für sich selbst und ihr zahlreiches Handgepäck. Das andere für ihren riesigen Koffer. Wir bitten sie, diesen wegzunehmen, damit wir uns hinsetzen können. No, no, das gehe nicht, da sie nirgends sonst einen Platz finde, erklärt sie uns auf Italienisch.
"Dann nehmen Sie ihn zu sich ins Abteil!", meint Hausmann Hanna kurz und knapp. Das befolgt die Signora auch sofort, und weil der Koffer den ganzen Raum zwischen den Sitzen ausfüllt, muss sie ihre langen Beine etwas unkomfortabel quer darüber legen.
Wir haben uns eben im freigewordenen Abteil eingerichtet und Buch und Zeitung liegen bereit, als ein Natel schrillt.
"Pronto! Mammmmma!!!" Und dann geht es in schnellem Italienisch weiter. Genervt aber auch leicht geniert stehe ich auf und gehe zur Signora ins Nachbarabteil. Ich zeige auf das
Piktogramm und schlage ihr vor, sie solle doch draussen im Gang ihr Telefongespräch fortsetzen. Sie schaut mich verwundert an, hört jedoch sofort auf zu sprechen. Sie versorgt das Natel in der Tasche, holt dafür einen aufblasbaren Halskragen hervor und bettet ihren Kopf hinein. Dann steckt sie sich die Stöpsel des iPods in die Ohren, drapiert einen Pashimaschal um sich und döst ein.
In Bellinzona müssen wir umsteigen. Und machen das so leise, dass die Signora ungestört weiterschlummern kann...
PS. Leider sind solche Geschichten bald Vergangenheit, da die Ruheabteile von der SBB ab Mitte Dezember aufgehoben werden.
PPS. Zumindest in der billigeren 2.Klasse...