Gestern Nachmittag im Tram zum Bahnhof.
Ich steige am Aeschenplatz ein und setze mich auf den freien Platz neben einer gepflegt aussehenden Mittvierzigerin, die auf ihren Knien eine schicke Lederhandtasche balanciert.
Perfektes, unaufdringliches Make up.
Millimeter genau sitzender Kurzhaarschnitt.
Aparte Brille.
Hinter uns ertönt die Stimme einer Frau: "Bitte, por favor, eine kleine Gabe für die Musik!"
Die Sängerin, sie ist bekannt für ihre Gesangseinlagen im Tram, zwängt sich mit einer Büchse in der Hand durch die dicht an dicht stehenden Leute.
Niemand gibt etwas.
Dennoch sagt sie repetitiv und freundlich ihr auswendig gelerntes Sprüchlein, das sie mit einem genauso freundlichen:" Merci beaucoup! Gracias! Dankeschön!" beendet.
Als sie bei uns vorbeigeht, sagt die Dame neben mir:
"Die sollte besser Simonetta Sommaruga um Geld angehen!"
Hoppla. Ich antworte nicht.
Steige jedoch leise verwirrt am Bahnhof aus und denke:
"Wahrscheinlich hat die Dame in mir eine Gleichgesinnte vermutet..."
PS. Zum besseren Verständnis für NichtschweizerInnen: Simonetta Sommaruga ist Schweizer Bundesrätin und in der SP. Sie ist Vorsteherin des Polizei- und Justizdepartements.