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12.11.2012

Zwischen zwei Haltestellen (36)


Gestern Sonntagmorgen um halb neun Uhr.
Es regnet in Strömen. Dennoch ist der Regiozug vollbesetzt.
Eine Männergruppe beansprucht viel Platz, leiblich und atmosphärisch. Was bedeutet, es ist sehr, sehr laut.
Ich seufze, versorge die extra gekaufte Sonntagszeitung wieder in der Tasche und höre der Unterhaltung zu.
Einer der Männer scheint der Entertainer der Gruppe zu sein. Er gibt am Laufmeter Anekdoten zum besten.
Zwei davon kann ich behalten. Hier die erste:
"Jetzt ist ja wieder die Saison, wo man überall (hier kommt eine Aufzählung verschiedener Fressbeizen) Schlachtplatten mit Blut- und Leberwürsten, Sauerkraut und Lederapfelschnitzli bekommt. Also ich gehe jede Woche einmal 'Metzgete' essen. Man will ja nicht gesund sterben. Ha, ha, ha!"

Wer weiterlesen mag, hier die zweite Geschichte:
"Als ich noch arbeitete, ging ich immer in dieselbe Beiz im Oristal. Da gab es einen Tisch extra für die Gestörten des 'Hasenbühls' (eine psychiatrische Klinik, Anm. Hausfrau Hanna). Einmal stand mitten auf dem Tisch eine brennende Kerze. Ich sagte zur Beizerin, die könne sie von mir aus ruhig auslöschen, da ich nicht rauche. Die Beizerin sagte darauf, dass die Kerze für einen der gestörten Gäste brenne, der am Tag vorher gestorben sei."


PS. Vielleicht lag es auch einfach am tristen Novemberwetter. Aber mir kam es vor, als ob das Thema Sterben und Tod doch ziemlich präsent war beim lustigen, sprücheklopfenden Mitreisenden.

4 Kommentare:

  1. Das geht tief unter die Haut, liebe Hausfrau Hanna.

    Der Schluss jedenfalls stellt alles in ein ganz anderes, ernsthaftes Licht!

    Liebe Grüsse,
    Brigitte

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  2. Hm, mich würde die Reaktion der anderen auf die letzte Anek"tod"e interessieren, liebe Hausfrau Hanna. Da müsste doch eigentlich das Lachen in grüblerisches Stirnrunzeln umgeschlagen haben. Oder waren seine Mitreisenden etwa auch alle hirnamputiert?
    Alles kann man nicht auf den Herbstblues schieben!

    Gruss vom leicht konfusen
    Bobsmile.

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  3. Im Zug selbst folgte ich einfach den Gesprächen und wurde so etwas wie eine 'objektive' Zuhörerin,
    liebe Frau Quer,
    ich konnte ja nicht fliehen oder früher aussteigen.
    Die Frage, warum ältere Männer solche Stammtischgespräche im Zug führen, tauchte erst später auf...

    Herzlich Hausfrau Hanna

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  4. Ich muss noch ergänzen,
    lieber Bobsmile,
    dass man mit dem Zug an der psychiatrischen Klinik vorbeifährt und das wahrscheinlich den Anstoss gab, diese Geschichte den Altkameraden zu erzählen.
    Am lustigsten, was oft so ist, fand es der Erzähler und Sprücheklopfer selbst.
    Und wahrscheinlich war es seine gewohnte Alltagssprache mit vielen gopfer... und Ausdrücken wie
    'die Gschtörte'.
    Es liegt mir fern zu psychologisieren - aber häufig verbergen sich unter oder hinter solchen 'lustigen' Geschichten die scheinbar ohne Empathie vorgetragen werden, menschliche Ängste...

    Herzlich Hausfrau Hanna

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