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23 Februar 2011

Ein ausgestorbener Beruf!


Den gestrigen informativen Artikel über die unauffindbaren oder sogar ausgestorbenen 'hemmafruar' in Schweden kann man hier nochmals lesen. Benötigt etwas Zeit, lohnt sich jedoch...

Ich wiederhole den Inhalt des Artikels nicht, sondern möchte nur von meinem kleinen, persönlichen Einblick schreiben, den ich während meines Stockholmaufenthalts ins flexible schwedische Schul- und Betreuungssystem bekam.
Jeweils am Dienstag und am Donnerstag holte ich die beiden 'flickor' (Mädchen) nachmittags zwischen 16.00 und 17.00 Uhr von der Schule und der Vorschule ab. Zusammen mit Vätern und Müttern wartetete ich auf die Kinder. Diese liessen sich jeweils viel Zeit. Das gemeinsame Spiel mit den Freundinnen und Freunden im Schulgarten oder im Klassenzimmer war wichtiger als das Nachhausegehen.
Immer präsent waren zwei oder drei Lehrpersonen. Sie liessen den Kindern viel Freiraum, ohne sie ständig zu animieren oder sich ins Spiel einzumischen. Weinte jedoch eines oder brauchte Hilfe und Unterstützung, war sofort eine erwachsene Person zur Stelle. Das geschah alles völlig unaufgeregt und sehr zugewandt.
Ich erlebte ausserdem 'meine' schwedischen Kinder (damals 6 und 9) als äusserst sozialkompetent und selbständig.

Schwedische Familien sind es, im Gegensatz zu uns, seit Jahrzehnten gewohnt, in diesen Strukturen den Familien-, Schul- und Berufsalltag zu leben, denn seit 1974 kennt Schweden die Elternzeit.
Als erstes Land notabene in Europa.

Jede Lösung, mag sie noch so gut sein, hat Mängel. So bestimmt auch das schwedische Modell.
Lisette machte sich übrigens gestern dazu  in einem Kommentar einige Gedanken.
Dennoch.
Ich bin beeindruckt - jag är imponerad!
Und würde das schwedische Modell am liebsten sofort und flächendeckend hier einführen.
Auch wenn mich als Hausfrau die 1934 (!) geschriebenen Worte der schwedischen Soziologin und Sozialreformerin Alva Myrdal wie starker Tabak in den Augen brennen:

"Natürlich werde die Hausarbeit den Frauen auch in Zukunft Möglichkeiten eröffnen. 
Jedenfalls allen schwachen, idiotischen, faulen, 
unambi­tionierten oder generell unterbelichteten. 
Ausserdem steht für diese Personen auch Vollzeit- und 
vor allem Teilzeitprostitution als Ausweg offen."




PS. Alva Myrdal war anfangs 30, als sie die Abhandlung für eine neue Familienform schrieb.
PPS. In diesem Alter ist man noch kompromisslos und radikal.
PPPS. Bestimmt wurde sie in ihren späteren Jahren nachdenklicher und besonnener, auch in ihrer Wortwahl.
PPPPS. Denn 1982 bekam sie den...       Friedensnobelpreis!

3 Kommentare:

  1. Auch ich habe die Schule erlebt in Schweden, bei Schulbesuchen im "Primarschulbereich" und in der oberen Stufe.
    Die Art und Weise des Unterrichts fand ich in der Primarstufe spannend; individuell und sehr kindgerecht.
    Auch die Betreuungsmöglichkeiten sind grandios.
    Was mir nicht gefällt ist das System des "so-oder-so-befördert-werden"; da kann kein Kind sitzenbleiben, das gibts nicht. Also auch kein Anreiz fürs Lernen, jeder kommt irgendwie durch.

    Was aber die volle Berufstätigkeit mit sich bringt, und das ist auch ein Fakt - die Zeit, die die Kinder mit einem Elternteil verbringen, ist kurz. Die Eltern holen die Kinder nach der Schule ab, dann gibts Abendbrot und der Tag ist fast rum.
    Die Eltern hatten einen anstrengenden Arbeitstag und das Wochenende soll zur Erholung dienen.
    Wie ich von Schwedinnen selber weiss, möchte "man" dann das Wochenende in Ruhe verbringen und nicht noch mit "erzieherischen" Grundsatzdiskussionen, das wird dann an die Schule delegiert.
    Es ist ein dauerndes Gehetze und "am Puls des Kindes" fühlen sie sich nicht.

    das ist die andere Seite der Medaille...

    Ich für mich persönlich bin froh, dass ich die Zeit, wo die Kinder klein waren, mit ihnen verbringen konnte. Für nichts in der Welt hätte ich diese wichtigen Jahre "delegieren" wollen...

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  2. Hausfrau Hanna24.02.2011, 09:29:00

    Danke,
    liebe Lisette,
    für deine ergänzenden und bereichernden Gedanken :-)

    Noch etwas zum Artikel: Erst ganz am Schluss (!) äussert sich eine Frau, die etwas von sich sagt, was ich in Schweden nie gehört habe:
    "Jag är hemmafru!"
    Sie nennt klar die Vorteile des 'Nur'-Hausfrauendaseins. Aber genauso klar den Verzicht:
    Keine grössere Wohnung, kein Auto, keine teuren Ferien...

    So ist es!!!

    Herzlich grüsst dich bei schon fast schwedischen Verhältnissen - es schneit :-)
    Hausfrau Hanna

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  3. genau. der Verzicht. das ist auch so ein Punkt...
    Verzichten muss man immer. Aber man hat doch oft die Freiheit auszusuchen, worauf...

    hier bei diesem Beispiel verzichte ich als Hausfrau genau darauf: weniger Materielles, weniger Konsum, weniger Bestätigung von Aussen (Arbeit)...

    Wer das Schwedenmodell wählt (aus freien Stücken) verzichtet auf Zeit mit den Kindern, Nähe, den Luxus, an einem stinknormalen Dienstagnachmittag stundenlang Bilderbücher mit den Kleinen anzuschauen...

    das alles ist in der Summe nie "lagom", sondern immer "absolut"

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